Ich hasse Menschen. Ich mag sie einfach nicht. Das ist schon jahrelang so. Menschen sind dumm, werden in der Masse noch unfassbar dümmer, sind egozentrisch, selbstgerecht und ekelhaft. Und Erlebnisse wie heute verstärken diese Abscheu noch einmal mehr.
Heute war ein schöner Tag und ich auf dem Heimweg. Umsteigen. Mann liegt auf der Bank. Offensichtlich stark alkoholisiert. Nicht ansprechbar. Es sitzen Leute teilnahmslos ringsum. Der eine schaut mal angewidert hin, der nächste voller Ekel und der dritte schüttelt den Kopf.
Auch ich fand es äußert widerlich, ekelte mich davor, finde es unfassbar, wie man so viel Alkohol in sich ‚reinkippen kann, um danach irgendwo auf einer Bank so kaputt zu liegen. Aber das Mindeste, was ich in dieser Situation tun kann, ist es, einen Notruf abzusetzen. Man nennt das Zivilcourage. Sowas kann jeder tun. Mit Smartphones kann man nämlich auch telefonieren. Und der Anruf bei 110 ist sogar kostenlos. Braucht man keine Flat für. Geht auch mit Prepaid-Kartentelefonen.
Nach dem abgesetzten Notruf kamen weitere Straßenbahnen an. Weitere Menschen stiegen aus. Sahen diesen Mann da liegen. Blieben stehen. Starrten. Glotzten. Aber keiner dieser Menschen zückte auch nur ansatzweise das Telefon.
Dem nicht genug stiegen noch beschissene Jugendliche aus, die die Situation, die sie vorfanden, so unheimlich lustig fanden, dass sie sie unbedingt mit ihrer tollen iPhone-Kamera fotografieren und/oder filmen mussten.
Ist euer Leben echt so wenig unterhaltsam, dass ihr auf Kosten eines Menschen, der vielleicht sterben könnte, wenn ihr nicht einen Funken Verstand zeigt, eueren Spaß haben müsst?
Schlussendlich kamen dann noch Menschen, die sich nicht so ekelten wie ich, die diesen Mann in die stabile Seitenlage brachten, mit ihm redeten und mich fragten, ob ich auch den Krankenwagen gerufen hätte. Nein. Das hatte ich nicht.
Sie riefen dann nochmal zusätzlich den Krankenwagen und ich fühlte mich ein wenig besser, als ich in meine Bahn einstieg und weiter nach Hause fuhr.
Dennoch machte mich das Erlebte unendlich wütend.
Ja, auch ich hätte mehr tun können, aber 110 zu rufen ist etwas, das jeder von uns tun kann. Egal, wie unsicher er ist, wie widerlich die Situation, die Person, das Vorgefallene ist. Alles ist besser, als nichts zu tun, nur zuzusehn, sich drüber lustig zu machen und sogar Videos davon zu drehen.
Ich studierte Psychologie. Ich weiß, wieso Menschen so sind. Bzw. nein, ich weiß, was man tun muss, damit Menschen anders reagieren. Aber was, wenn jemand, der Hilfe benötigt schlichtweg nicht mehr in der Lage ist, um Hilfe zu bitten?
Vor zwei Jahren fuhr ich von der Uni nach Hause. Es war warm. Und mir ging es plötzlich nicht mehr gut. Ich stieg zwei Haltestellen vorher aus dem Bus. An einer belebten Haltestelle. Und ich brach zusammen. Ich lag einfach da.
30 Minuten lang, die sich wie die Ewigkeit anfühlten. 30 Minuten, in denen mich keine Person ansprach.
Irgendwann ging es halbwegs, und ich schleppte mich nach Hause.
Wenn man einmal selbst so etwas erlebt hat, zweifelt man noch mehr an dieser Welt und ihren Menschen.
Ja, ich wurde in meinem Hass heute wieder bestätigt. Aber ich habe die Hoffnung in euch, euren Verstand und eure Intelligenz noch nicht absolut verloren.
110. Zivilcourage. Ich sag’s ja nur.
Wie ich so etwas hasse, wenn ein Haufen Leute daneben steht und nichts tut.
Da platzt mir jedes Mal wieder fast der Hals …
Du hast eigentlich alles gesagt, was dazu zu sagen ist.
LG Jan
Unheimlich gut geschriebener Artikel.
Steigerte deine Sympathiepunkte gerade ziemlich hoch. 😀
Dein erster Absatz ist wunderbar und ich kann mich dem vollkommen anschließen. Menschen sind leider nicht umsonst das primitivste Lebewesen was diesen Planeten bewohnt…
Dabei wäre es so einfach… Umso schöner wenn man zwischendurch merkt, dass es auch noch andere gibt, die nicht vollkommen blind und völlig verdummt durch die Welt laufen.
Leider geht es tagtäglich so zu. Unfälle, Schlägereien.. keiner mag etwas tun, alle glotzen nur. Was finden die Leute so toll an Leid? Was macht sie so neugierig? Du hast sehr gut gehandelt!
Nebenbei mag ich deine Bilder und deine Schreibweise! 🙂
Und warum hast du den Krankenwagen nicht gerufen?! Oder habe ich da was missverstanden?
@Fragezeichen? Steht im Text.
Gut geschrieben! Besonders dem ersten Absatz hätte sich Mela auch angeschlossen…
Ich mag Menschen, aber wenn ich sowas lese, werde ich auch verdammt wütend.
Wie kann man nur so wenig Verantwortung zeigen!?
Ich erlebte eine ähnliche Situation vor ca. fünf Jahren auch mal: Giessen, Innenstadt, Vorweihnachtszeit, ein älterer Mann bricht mitten auf der Straße zusammen, sah aus wie ein Schlaganfall und die Leute gehen einfach weiter und/ oder glotzen nur. Ich sprach ihn an und rief den Krankenwagen, innerhalb von 30 Sekunden hatte sich eine Menschentraube um uns versammelt, aber KEINER fragte, ob er helfen könne.
In jedem Fall hast du richtig gehandelt und (fast) jeder hätte das tun können, trotz des Ekels.
Ich schließ mich grad einfach mal nur an: Deinem Artikel und den Kommentaren über meinem. Gutes Thema, wunderbar geschrieben. Danke 🙂
Danke für eure Einschätzung und Zustimmung. Und dass euch das Geschriebene gefällt.
Bist du dir sicher, dass du Dein beschriebenes Verhalten bezüglich dieser Gesellschaft wirklich mit diesem Gefühl empfindest? Ich überlege gerade nach dem Lesen deines Artikels, ob ich überhaupt schon mal Jemanden oder Etwas wirklich gehasst habe… Deine provokante Schreibweise gefällt mir. Aber von der Denke ticke da anders als du. Wobei ich das breite Verhalten der Mitmenschen oft schon in Frage stelle und kritisiere! Aber hassen?
LG, Jonathan
Uff. Schlag in die Magengrube.
Ich sehe hier in der Stadt auch oft Menschen, die ziemlich kaputt sind oder betrunken. Bisher aber nur welche, die noch selbständig umherliefen oder schon von der Polizei betreut wurden.
Ich hoffe, dass ich in so einer Situation reagiere wie du.
Die Jugendlichen mit der Kamera sind wirklich ekelhaft. Die hätte ich gleich mal an die Polizei weitergegeben.
Ich glaube was die Menschen zurückhält und nur starren lässt ist die Angst um sich selbst. Konfrontation mit dem Abgrund des menschlichen Lebens. Aber gerade dann sollte man selbstlos sein! Alles sehr traurig :-/
Ich muss sagen, ich bin etwas geschockt über deinen Eingangssatz und die Grundaussage des Artikels. Da ist sicher viel Wahres drin, aber ich kann mit solch dogmatischen Schwarz-Weiß-Malereien wenig anfangen.
Den Schluss zu ziehen, dass durch dieses Erlebnis dein Entschluss „ich hasse Menschen“ eine Bestätigung gefunden hat, finde ich sehr bedenklich. Immerhin waren es ja durchaus Menschen, die den Mann – im Gegensatz zu dir – angefasst und stabilisiert haben. Mein Menschenbild ist jedenfalls eher positiv und ich liebe Menschen. Allerdings bin ich auch von solchen Erlebnissen wie bei deinem geschilderten Zusammenbruch bisher verschont geblieben. Im Gegenteil dazu, begegne ich sehr häufig hilfsbereiten Menschen (und das in derselben Stadt!).
Aber vielleicht besteht da ja auch ein gewisser Zusammenhang zwischen der Einstellung und dem Erleben der Welt?!
Bin ein wenig bei Thomas und sehe den Beitrag auch ein wenig kritisch (einer muss ja immer dabei sein). Denn:
– Einen Notruf abzusetzen erachte ich nicht als Zivilcourage. Das ist erste Hilfe.
– Erstaunlich ist, wie wenig Du selbst getan hast. 110, fein. Jedoch keine stabile Seitenlage. Und auch nicht gewartet, bis die Rettungskräfte vor Ort eingetroffen sind.
Verzeih mir meine deutlichen Worte, aber Du reihst Dich damit schon ein wenig in die von Dir eingangs beschriebene Spezies ein. Gut gemeint von Dir , aber nicht konsequent zu Ende geführt. Gerade Deine Vorgeschichte hätte ein anderes Handeln vermuten lassen.
Was bleibt, ist ein gut geschriebener Artikel. Der mehr Selbstkritik enthält als Dir wahrscheinlich im ersten Augenblick bewusst gewesen ist.
Ich war 14 als ich eines morgens in der Langen Reihe in Hamburg einfach umkippte. Kreislauf, das haben große Mädchen manchmal. Niemand half, bis auf meine aufgelöste Freundin und der Obdachlose um die Ecke, der Hinz und Kunz verkaufte.
Been there, done that..
@ThilliMilli Erstens: Einen Notruf absetzen zählt für mich zu Zivilcourage und war mehr, als 95% der anwesenden Leute unternommen haben.
Zweitens: Lies den Text einfach nochmal. Kleiner Tipp: Versuch’s mal mit dem 5. Absatz.
Drittens: Urteile nicht, bevor du die Antwort nicht kennst. Zum einen fragte ich bei der Zentrale nach, ob ich warten solle, bis die Kollegen vor Ort wären. Diese verneinte. Und zum anderen kamen weitere Menschen, die sich um den Mann kümmerten. Sollte ich dann auch wie die anderen sensationsgeilen Menschen dabei stehen bleiben, nur um abzuwarten, was weiter passiert? Ich hätte nichts weiter tun können.
Deutlich finde ich deine Worte nicht. Ich finde sie schlichtweg dumm, weil sie für mich am Thema vorbeigehen, und zeigen, dass du den Text nicht aufmerksam gelesen hast und einfach nur mal selbst rumpöbeln möchtest. Kritisiere mich ruhig. Nur zu dumm, dass ich das selbst schon bewusst getan habe.
Ich habe gehandelt. Wenn du das besser kannst, kannst du das gerne beweisen, falls du in solch eine Situation geraten solltest.
@Thomas: Sicherlich gibt es auch gute Menschen. Aber ich rede hier von Menschen in Massen.
Wie kann es sein, dass Menschen an vielbelebten U-Bahnstationen zusammengeschlagen werden?
Wie kann es sein, dass Vergewaltigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln stattfinden können, ohne dass jemand einschreitet?
Wie kann es sein, dass Menschen getötet werden, während andere dabei zusehen?
Bystander-Effekt. Menschen in Masse. Unfassbar dumm.
Und dein letzter Satz ist wohl ein Henne-Ei-Problem.
@zimtsternin: Hey, cool down. Wir können doch hier ganz gesittet unsere Meinungen austauschen ohne bashing zu betreiben?!
OK! Wenn es Menschenmassen sind, die du hasst, dann schreib das doch. Das ist für mich allerdings ein Riesenunterschied und wahrscheinlich nicht nur für mich.
Allerdings möchte ich nicht näher auf das Thema Massenpsychologie eingehen. Da haben wir in unserem Land ja einschlägige Erfahrungen, oder?
Vielleicht steckt aber auch etwas anderes dahinter: man kann das Ganze vielleicht vergleichen mit der Angst vor fremden Menschen eine Rede halten zu müssen. Es gibt eine amerikanische Studie, wonach bei der Mehrzahl der Menschen die Angst davor HÖHER ist, als die Angst vor dem eigenen Tod. Unglaublich, aber wahr…
Allgemeiner gesagt, leiden die meisten mehr oder weniger an gewissen sozialen Phobien und genau das kommt hier zum Ausdruck. Ich denke, das ist eine Erklärung, warum nur sehr wenige Menschen tatsächlich etwas tun und sich dabei vor anderen exponieren. Das soll keine Verteidigung sein, lediglich ein Erklärungsversuch.
Zum Thema der Jugendlichen: was erwartet ihr in Zeiten von DSDS-Bohlen, Jackass, Borat?
Wie gesagt, kann ich vieles in dem Artikel verstehen. Doch ich plädiere dafür etwas differenzierter und etwas weniger beifall-heischender an das Thema heranzugehen.
Nun noch zu meinem letzten Satz einen schlauen Spruch:
„Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.“
Mahatma Gandhi
Damit entfällt (für mich) das Henne-Ei-Problem. Ich kann nur meine Einstellung (und damit meine Ausstrahlung/Wirkung/Antennen) ändern, nicht die anderen Menschen.
…und jetzt haben wir uns alle wieder lieb – vor allem die Zimtsternin!!! 😉
Und auch von mir ein cool down 😉
Den Text habe ich nochmal gelesen. Auch den 5. Absatz. Mehr Infos habe ich nun nicht. War allerdings auch absehbar, da ich beim 1. & 2. Mal bereits aufmerksam dabei war.
Erstaunlich finde ich, dass Du auf Kritik so angespitzt reagierst. Welchen Nerv haben wir denn da getroffen?
Und by the way: Gepöbelt habe ich sicherlich nicht. Zwar direkt, aber neutral meine Meinung geäußert. Und damit sollte man rechnen, wenn man Texte öffentlich macht. Insbesondere provokante. Schade, dass Du dies nun anders herum tust.
Zum Inhalt: Wärest Du dort geblieben, hättest Du auf den Mann aufpassen können. Hättest weitere Leute am fotografieren und Video drehen hindern können. Das ist Zivilcourage. Notruf ist in diesem Fall weiterhin nur Erste Hilfe.
Aber noch einmal: Nimm’s mir nicht übel, es ist nur meine Meinung. Ich mag es, wenn jemand seine offen Kund tut. (allerdings bitte auch entsprechend mit den Rückmeldungen umgehen, ok?)
.. wohne in Berlin, der Hauptstadt des Partyvolkes, der Hauptstadt der Obdachlosen. Ich erlebe sowas nahezu täglich und bin jedes Mal in exakt der gedanklichen/realen Situation wie du sie beschreibst. Inzwischen dürfte die Feuerwehr meine Mobilnummer unter „Nerv-Tante“ gespeichert haben..